Praxis & Medizin
Brokamp Patienten wissen mehr (Teil VIII)
Nach der Entwicklung müssen neue Arzneimittel in geeigneten klinischen Studien auf ihre Unbedenklichkeit und Wirksamkeit geprüft werden. Klinische Studien müssen von den zuständigen Arzneimittelbehörden genehmigt werden; die Behörde prüft unter anderem die Daten aus der präklinischen Entwicklung und die Daten zur pharmazeutischen Qualität des Prüfpräparates. Außerdem ist ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission erforderlich; die Ethikkommission prüft zum Schutz der Studienteilnehmer die Qualifikation der Prüfärzte und den Prüfplan. Details zur Genehmigung und Durchführung klinischer Studien sind im Arzneimittelrecht festgelegt. Die Prüfung erfolgte in mehreren festgelegten Phasen:
Phase I
Die klassische erste Anwendung eines neuen Arzneimittels beim Menschen. Ziel dieser Studien ist die Prüfung der ersten Sicherheit und Verträglichkeit. Bei der Erstanwendung beim Menschen muss besonders vorsichtig vorgegangen werden, da zu dem Zeitpunkt nur Daten aus Tierversuchen vorliegen, deren Übertragbarkeit auf den Menschen mit einem Rest an Unsicherheit behaftet ist. Zu den möglichen Vorsichtsmaßnahmen bei der Erstanwendung zählen zum Beispiel eine sehr niedrige Anfangsdosis.
Phase-I-Studien werden im Allgemeinen an 10 bis 80 männlichen Probanden durchgeführt.
In Phase-I-Studien wird untersucht, ob sich der Wirkstoff im menschlichen Organismus genau so verhält wie in den präklinischen Tierexperimenten vorhergesagt, vor allem bei der Aufnahme, Verteilung, Umwandlung, Ausscheidung und der Verträglichkeit. Dabei wird auch durch entsprechende Monitorgeräte laufend überwacht, wie sich lebenswichtige klinische Parameter – zum Beispiel der Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz und die Körpertemperatur – verändern. Im Verlauf der Phase-I-Studie wird langsam die Dosis des Wirkstoffes erhöht, um zu ergründen, wann und wie stark eine Reaktion auftritt. Außerdem werden alle Ereignisse während der Studie festgehalten und auf einen möglichen Zusammenhang mit dem Wirkstoff hin untersucht, um erste Hinweise auf Nebenwirkungen zu erhalten.
Phase II
Der Schwerpunkt von Phase-II-Studien ist ein erster Nachweis medizinischer Wirksamkeit und damit eine Bestätigung des Therapiekonzepts. Phase-II-Studien werden dementsprechend an Patienten durchgeführt. Die Behandlungsdauer beschränkt sich üblicherweise auf wenige Monate; es werden höchstens wenige hundert Patienten behandelt. Neben der Wirksamkeit wird auch hier die Verträglichkeit sorgfältig beobachtet.
Sobald es erste Hinweise auf Wirksamkeit gibt, wird in weiteren Teilstudien, auch Phase IIb genannt, nach der optimalen therapeutischen Dosis gesucht, die dann in Phase-III-Studien verwendet wird. Oft muss auch in dieser Phase die Arzneiform optimiert oder gewechselt werden; dafür kann es notwendig sein, nochmals Phase-I-Studien der neuen Arzneiform durchzuführen.
Phase III
Die Phase III umfasst die Studien, welche die für die Zulassung entscheidenden Daten zum Wirksamkeitsnachweis ermitteln.
Üblicherweise sind mindestens zwei voneinander unabhängige kontrollierte klinische Studien, die jede für sich einen Nachweis der statistischen Signifikanz der Wirksamkeit erbringen, notwendig. Phase-III-Studien können viele tausend Patienten einschließen und sich über mehrere Jahre erstrecken. In der Regel handelt es sich um randomisierte Doppelblindstudien, das heißt weder der Patient noch der Arzt wissen ob das neue Medikament verabreicht wird oder ein Vergleichspräparat. Als Vergleichspräparate werden, je nach Verfügbarkeit für die entsprechende Indikation, entweder schon zugelassene Arzneimittel oder aber Placebos eingesetzt. Während gegenüber Placebo in jedem Falle Überlegenheit zu demonstrieren ist, kann gegenüber anderen Arzneimitteln der Nachweis einer vergleichbaren Wirkung hinreichend sein.
Durchgängig werden auch in Phase III an allen Patienten Daten zur Arzneimittelsicherheit erhoben. Die Risiken-Nutzen-Abwägung ist eines der wichtigsten Kriterien für die Zulassung. Zudem können in Phase III noch weitere Untersuchungen, die zu einer genaueren Profilierung der Wirkungsweise oder der Langzeitbeobachtung dienen, durchgeführt werden.
Einreichung des Zulassungsantrags
Nach erfolgreicher Beendigung der Phasen I bis III wird ein umfassendes Zulassungsdossier, ein Common Technical Document (CTD, meist in elektronischer Form, siehe eCTD), erstellt, in dem alle Daten zur pharmazeutischen Qualität (Herstellung, Prüfung, Haltbarkeit), zur präklinischen Prüfung und zu den drei klinischen Prüfungsphasen dargestellt, zusammengefasst und bewertet werden. Dieses Dossier dient der dafür zuständigen Arzneimittelbehörde als Grundlage zur Entscheidung, ob das Arzneimittel zugelassen wird.
Phase IV
Phase IV schließlich beschreibt die Gesamtheit der nach Markteinführung durchgeführten klinischen Studien. Diese kann aufwändige Studien an großen Patientenpopulationen zur Erfassung möglicher seltener, aber relevanter Nebenwirkungen umfassen, aber auch kleinere Studien vorrangig zu Publikationszwecken in Fachzeitschriften. Für die Erweiterung der Zulassung eines Arzneimittels auf zusätzliche Indikationen oder auch für andere Darreichungsformen des gleichen Wirkstoffes sind hingegen neue Studien mindestens der Phase III (evtl. auch Phase I und II) durchzuführen.
Im Durchschnitt erreichen in den USA von rund 10.000 in der präklinischen Forschung entwickelten Wirkstoffen etwa fünf die klinische Forschung/Phase I. Von diesen erhält schließlich eines die Zulassung bei der zuständigen Arzneimittelbehörde. Von der Synthese eines neuen Wirkstoffs bis zur Marktzulassung des Medikaments vergehen durchschnittlich 14,2 Jahre, wovon die klinischen Phasen I–III rund 8,6 Jahre beanspruchen und das Zulassungsverfahren 1,8 Jahre. Die verbleibende Zeit von etwa 3,8 Jahren ist für die präklinische Forschung inklusive Wirkstoffsuche und -optimierung zu veranschlagen (Angaben für die USA).
Serien "Brokamp Patienten wissen mehr"
Folge VII
Folge VI
Folge V
Folge IV
Folge III
Folge II
Folge I